Worauf bei der Auswahl einer UK-App zu achten ist
Ein praxisnaher Leitfaden: Person, Kontext und Systemlogik zusammen denken
Die 4 wichtigsten Leitideen
Passung statt „beste App"
Entscheidend ist, ob ein System in genau diesem Alltag zuverlässig nutzbar ist.
Entlastung ist ein Qualitätsmerkmal
Visuelle Suchlast, Pfadlängen und Vorhersagbarkeit bestimmen, ob Kommunikation gelingt.
Support entscheidet über Nutzung
Einführung, Schulung und Zuständigkeiten sind oft die eigentliche Engstelle.
Versorgung & Rahmenbedingungen klären
Finanzierung, Zuständigkeiten, Datenschutz und Langzeitverfügbarkeit sind Teil der Entscheidung.
Warum Auswahlfragen in UK selten „nur technische" Fragen sind
Digitale Kommunikationshilfen wirken nicht isoliert, sondern im Zusammenspiel von individuellen Voraussetzungen, Alltagssituationen und Unterstützungsstrukturen. Deshalb ist eine UK-App nicht dann „gut", wenn sie möglichst viel kann, sondern wenn sie in einem konkreten Setting Kommunikation tatsächlich wahrscheinlicher macht.
Praktisch heißt das: Die Entscheidung wird belastbar, wenn Sie (1) ein Bedarfsprofil klären, (2) die relevanten Dimensionen priorisieren und (3) Systeme als Profil vergleichen – nicht als Rangliste.
Schnellstart: 7 Schritte zur fundierten Auswahl
- Ziel klären: Geht es um grundlegende Bedürfnisse, um alltagsnahe Gespräche oder um komplexe, generative Sprache?
- Kontext festlegen: Wo wird die App genutzt (Wohngruppe, Schule, Zuhause)? Wer begleitet?
- Bedarfsprofil erstellen: entlang der Dimensionen A–F (unten als Checkliste).
- Engstellen identifizieren: Was würde im Alltag am ehesten zum Abbruch führen (Suchstress, Fehlklicks, Überforderung, fehlender Support)?
- 2–3 Systeme auswählen: die zu den Engstellen plausibel passen.
- Erproben & nachjustieren: mit klaren Situationen (Mahlzeiten, Pflege, Konflikt, Freizeit) statt „mal schauen".
- Entscheiden & implementieren: Zuständigkeiten, Modellierung, Pflege des Wortschatzes, Evaluation.
Bedarfsprofil entlang A–F: die praxisrelevanten Fragen
Ein Bedarfsprofil beschreibt kurz, was eine Person unter realen Bedingungen bewältigen kann – und welche Ressourcen das Umfeld tatsächlich mitbringt. Es hilft, Systeme nicht nach Bauchgefühl, sondern entlang wiederkehrender Dimensionen zu prüfen.
A) Interface-Design & visuelle Suche
- Wie viele Elemente kann die Person gleichzeitig überblicken, ohne in Suchstress zu geraten?
- Hilft eher eine reduzierte, stabile Rasterlogik – oder eher eine szenenbasierte Darstellung (je nach Person/Situation)?
- Wie stark wirken Ablenkungen (Hintergründe, kleine Buttons, viele Farben/Icons) auf die Nutzung?
B) Vokabularstrategie & Ortstreue
- Profitiert die Person von wiederkehrenden Ausdrucksmöglichkeiten (Kernwörter, Routinen) – oder muss sie Wörter jedes Mal neu suchen?
- Wie wichtig ist Kernvokabular als dauerhaft verfügbare „Arbeitsfläche"?
- Gibt es Ressourcen im Team, um Wortschatz strukturiert aufzubauen – oder braucht es eher vorstrukturierte Kernwortschätze mit hoher Ortstreue?
Wichtig: Forschung und Praxis zeigen, dass „Core" nicht als starre Liste verstanden werden sollte, sondern als kontextsensibler, profilbasierter Kern, der mit Randvokabular alltagsnah ergänzt wird.
C) Navigationslogik & Bedienpfade
- Können mehrschrittige Wege gemerkt werden – oder bricht die Nutzung bei Seitenwechseln schnell ab?
- Stehen im Alltag eher kurze, wiederkehrende Aussagen im Vordergrund (Routinekommunikation) oder komplexere Äußerungen?
- Gibt es eine klare Startseite/Home-Logik und verlässliche Rückwege?
D) Zugangswege & Fehlertoleranz
- Reicht Touch-Bedienung zuverlässig aus oder braucht es alternative Zugangswege (z. B. Taster, Scanning, Augensteuerung)?
- Wie kritisch wären Fehlbedienungen in typischen Alltagssituationen (Stress, Pflege, Schmerz, Konflikt)?
- Gibt es klare Korrekturwege (Löschen/Rückgängig), sichtbares Feedback und ausreichend große Ziele/Abstände?
Fehlertoleranz ist in UK nicht „Komfort", sondern Teil der subjektiven Erfahrung von Kontrolle und Sicherheit – und damit ein zentraler Stabilitätsfaktor im Alltag.
E) Implementationssupport & Alltagseinführung
Viele Systeme scheitern nicht an Funktionen, sondern daran, dass Einführung, Anpassung und Modellierung im Alltag nicht abgesichert sind. Implementationssupport umfasst deshalb alles, was von der Ersteinrichtung bis zur stabilen Nutzung trägt: Diagnostik, Erprobung, Anpassung, Schulung, technischer Support und Koordination der Beteiligten.
- Wer ist zuständig für Einrichtung, Pflege und Weiterentwicklung?
- Wie wird Modellierung/Partnerstrategien im Team abgesprochen?
- Gibt es Materialien, klare Anleitungen und erreichbaren Support?
- Wie wird die Nutzung in Routinen eingebaut (statt „extra" zu sein)?
F) Regulatorik, Finanzierung & Versorgungspraxis
Im deutschen Kontext ist zu klären, ob eine Lösung über die gesetzlichen Versorgungswege realistisch bereitgestellt werden kann, welche Rolle die GKV spielt und welche Anforderungen an Langzeitverfügbarkeit, Service, Reparatur und Datenschutz im Setting bestehen.
- Ist eine Versorgung über PG 16 grundsätzlich vorgesehen oder handelt es sich um eine projekt-/privatfinanzierte Lösung?
- Gibt es bereits Kooperationen mit Hilfsmittelanbietern oder feste Prozesse in der Einrichtung?
- Welche Anforderungen gelten an Datenschutz, Nutzerverwaltung und organisatorische Verantwortlichkeiten?
Die Engstellen-Logik: Was Ihre Entscheidung wirklich trägt
In der Praxis entscheidet oft die „schwächste Stelle" darüber, ob ein System nutzbar bleibt. Typische Engstellen sind: (1) visuelle Suchlast und Überforderung im Display, (2) zu lange Pfade für häufige Aussagen, (3) fehlende Fehlertoleranz/Kontrolle, sowie (4) ein Implementationsprozess, der im Alltag nicht abgesichert ist.
Erprobung im Alltag: so wird aus Auswahl eine tragfähige Entscheidung
Eine kurze, gezielte Erprobung ist oft aussagekräftiger als lange Diskussionen. Sinnvoll ist es, konkrete Situationen zu definieren und zu beobachten, ob Kommunikation schneller, sicherer und häufiger gelingt.
- 3–5 Standardsituationen festlegen (z. B. Essen/Trinken, Hygiene, Freizeit, Konflikt, Arztbesuch).
- Erfolgskriterien vereinbaren (z. B. „kommt in unter 30 Sekunden zu einer Aussage", „kann sich selbst korrigieren").
- Partnerrolle klären: Wer modelliert? Wer erinnert? Wie wird Frustration aufgefangen?
- Kurze Auswertung nach 1–2 Wochen: Was hat getragen, was hat gebremst?
Wie SagMal diese Leitideen umsetzt
SagMal ist als bewusst reduziertes System für alltagsnahe, häufig wiederkehrende Kommunikation konzipiert. Der Fokus liegt darauf, Suchlast zu senken, Wege lernbar zu machen und Aussagen schnell erreichbar zu halten.
- Kognitive Entlastung: konsequent reduzierte Auswahl pro Schritt, klare Oberfläche, wenig visuelle Konkurrenz.
- Lernbare Wege: Navigation ist so aufgebaut, dass sich Richtungen und Pfade einprägen können.
- Alltag vor Komplexität: geeignet, wenn Bedürfnisse, Routinen und einfache Präzisierungen im Mittelpunkt stehen.
- Grammatik nicht als Hürde: optional kann am Ende eine sprachliche Glättung unterstützen, ohne dass Navigation „grammatisch" geplant werden muss.
- Transparente Grenzen: wenn frei-generative, lange Gespräche oder sehr komplexe Sprachproduktion das Ziel sind, sind oft andere Systemklassen passender.